YUNEX TRAFFIC

Der Straßenverkehr steht für rund 25 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa und ist damit einer der größten Treiber für den Klimawandel. Die Emissionen des Verkehrssektors lagen in Deutschland auch 2021 über den im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresmengen und sind in den vergangenen zwölf Jahren eher gestiegen statt gesunken – einzig Corona konnte hier durch die eingeschränkte Mobilität einen Dämpfer bewirken. Bis zum Jahr 2030 müssen die Emissionen von heute 148 Mio. t auf 85 Mio. t CO2-Äquivalente beinahe halbiert werden. Im zweiten Teil unseres Interviews mit Yunex Traffic-CEO Markus Schlitt sprechen wir darüber, wie das gelingen kann (hier finden Sie den ersten Teil). Das Münchner Unternehmen will den Verkehr nicht nur zum Fließen bringen, sondern auch nachhaltiger machen.

Herr Schlitt, die Bilanz des Verkehrssektors in Sachen Reduktion von Treibhausgasemissionen sieht ernüchternd aus. Warum ist es in diesem Sektor besonders schwer, Fortschritte für den Klimaschutz zu erzielen?

Markus Schlitt: Wenn Sie auf die Bilanz des Verkehrssektors schauen, dann sehen Sie die absolute Entwicklung. Unsere Verkehrsmittel werden zwar durch die Bank immer effizienter, verbrauchen weniger Energie und verursachen weniger Abgase. Diese positive technische Entwicklung wird jedoch durch immer mehr Verkehr überkompensiert. Einen deutlichen Rückgang der Treibhausgasemissionen haben wir in Deutschland allein im Jahr 2020 gesehen – als wir wegen der Corona-Pandemie deutlich weniger pendeln und reisen konnten. 2021 ging es bereits wieder nach oben.

Heißt das, dass wir – sofern wir den Verkehr bis 2030 nicht stärker entkarbonisieren – nur noch mit Einschränkungen der Mobilität an unser Ziel kommen können?

Markus Schlitt: Mobilität ist ein Grundbedürfnis von uns Menschen. Wir wollen und müssen uns fortbewegen – sei es, um zu reisen und/oder täglich zur Arbeit zu pendeln. Nicht jede Aufgabe lässt sich schließlich aus dem Home Office bewältigen. Viele Menschen setzen sich dafür ins Auto. Die Folge: Unsere Straßen platzen aus allen Nähten. Um dem entgegenzuwirken, beschränken manche Länder die Zulassung von Fahrzeugen. Doch ich denke nicht, dass wir zum Ziel kommen, wenn wir den Menschen vorschreiben, wann sie sich wie, womit und wohin bewegen dürfen. Wir müssen das Problem anders angehen. Unser Ziel muss es sein, dass Menschen sich freiwillig, aus Überzeugung und bewusst für eine nachhaltigere Mobilitätsoption entscheiden. Deshalb müssen wir das Problem anders angehen. 

Welche Möglichkeiten gibt es da?

Markus Schlitt: Eins ist klar: Wenn wir die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors signifikant reduzieren wollen, brauchen wir strukturelle Veränderungen unseres Mobilitätsverhaltens. Anstatt allein in Autos mit Verbrennermotor unterwegs zu sein, müssen wir uns gemeinsam in nachhaltigeren Verkehrsmitteln fortbewegen. Öffentliche Verkehrsmittel müssen priorisiert werden. So gewinnen sie an Attraktivität und ersetzen einen Teil des Individualverkehrs. Das muss uns gelingen, denn dieser ist ein großer Teil des Problems. Das spüren wir jeden Tag, wenn wir im Stau stehen. Und das spürt auch die Umwelt, wenn täglich mehr Abgase ausgestoßen werden. Es gibt verschiedene Ansätze, um dieses Problem zu lösen. Ein möglicher Lenkungsfaktor ist der Preis. Wenn Städte beispielsweise eine Gebühr für die Autofahrt ins Zentrum erheben, dann haben die Menschen weiterhin die Möglichkeit, mit dem PKW zu fahren, aber die Gebühr wird sicherlich viele Pendler dazu bewegen, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. 

So wie in London, wo bereits im Jahr 2003 eine City-Maut eingeführt wurde?

Markus Schlitt: Die Congestion Charge war eine der ersten Gebühren dieser Art und sie hat durchaus ihre Wirkung entfaltet. Allerdings ist das System nicht das modernste und wird unter anderem als unsozial kritisiert. Fortschrittlicher sind sicherlich Bonussysteme, bei denen individuelle Lebensumstände berücksichtigt werden. Eine Mutter mit drei kleinen Kindern oder Menschen mit Gehbehinderung sind stärker auf die Fahrt im eigenen Fahrzeug angewiesen als der Durchschnittsbürger. Dennoch gilt London weiterhin als eine der progressivsten Metropolen, wenn es um das Verkehrsmanagement geht. 

Wo läuft es denn aus Ihrer Sicht besonders nachahmenswert und warum?

Markus Schlitt: In Deutschland ist sicherlich Hamburg als eine der Städte zu nennen, in denen sich die Verkehrsbehörden am mutigsten auf neue Wege begeben. Und Mut gehört sicher dazu, wenn es darum geht, neue Maßstäbe in der städtischen Mobilität zu setzen. Wenn wir noch weiter nach Norden schauen, dann sehen wir in Stockholm eine sehr konsequente Umsetzung des strukturellen Wandels weg vom Individualverkehr. Hier werden die Einnahmen aus einer automatisch erhobenen City-Maut eins zu eins in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert. Das ist sicher ein entscheidender Faktor: Zum Umstieg vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel können Menschen nur bewogen werden, wenn Leistung, Komfort und Zuverlässigkeit des Angebots von Bus und Bahn verbessert werden. Allein auf die Renaissance des Radfahrens zu setzen, reicht bei Weitem nicht. Hier sind innovative Ansätze wie die der OTTOBAHN natürlich besonders gefragt, weil der Ausbau deutlich schneller und günstiger vonstattengehen kann als das Errichten neuer S- oder U-Bahnen.

Herr Schlitt, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Yunex Traffic arbeitet mit über 3.100 Mitarbeitenden in 24 Ländern der Welt und in mehr als 110 Städten daran, Infrastruktur mit modernster digitaler Technologie wie etwa künstlicher Intelligenz dauerhaft umweltschonend und effizient zu gestalten. Die Kabinen der OTTOBAHN verlaufen 5-10 m über dem Boden. In städtischen Gebieten werden sie über bestehenden Straßen und Schienen installiert, außerhalb über Autobahnen. Sie sind also sowohl für kurze als auch für lange Strecken ausgelegt. Im Dezember 2021 haben ottobahn und Yunex eine Vereinbarung über die künftige Zusammenarbeit geschlossen. Beide Gesellschaften planen, künftig gemeinsam ottobahn-Projekte innerhalb von Deutschland zu akquirieren und zu betreiben. Start der Zusammenarbeit bildet die OTTOBAHN-Teststrecke in Taufkirchen.